Hildegard Hahn - Inseln

Ausstellung im Rathaus Kenzingen vom 14.6.-28.6.2002

Inseln befinden sich in den Meeren: feste, geformte Materie gegen Wassermassen, die sich ständig in Bewegung befinden. Bereits diese einfache und populäre Formulierung ist ungenau und voller Zweideutigkeiten. . .

Inseln sind auch Orte der Erinnerung: dessen, was wir festhalten möchten, zuordnen wollen oder neu gestalten. So ist jedes Bild eine Insel: für die Augen, die Ohren, die Gerüche, die sinnlichen Wahrnehmungen, sowie für die Gedanken, für Fragen und Antworten; für Augenblicke des Seins.

Bilder sind nur ein kleiner Teil meiner Gesamtarbeit, wenn man als "Bild" eine Darstellung auf der Fläche ‑ meistens auf Leinwand, Holz oder Papier ‑ versteht.

Wir denken, sprechen, hören, träumen "in Bildern". Diesen gilt mein Interesse und sie "liefern" die Materie für die Darstellung einer lebendigen Umwelt, unseres Lebensraumes, soweit und wie das visuell möglich ist. Dafür benütze ich die Techniken, die mir für das jeweilige Projekt geeignet erscheinen, alle Materialien, die erreichbar sind und verwendbar als Ausdrucksmittel. Die Festlegung von Gattungen: Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Film oder Zeichnung ist in der zeitgenössischen Kunst kaum noch anwendbar als Markenzeichen oder Qualitätssiegel. Ein erweiterter Blick auf die Welt, in der wir leben, geöffnet durch die Wissenschaften (vor allem der Biologie, Physik und Soziologie) und die Veränderung unserer Umgangsformen (die Verbreitung der elektronischen Kommunikationsmittel und der erleichterte Zugang zu Daten und Informationen jeder Art) verlangen von den Ausübenden der Kunst große Beobachtungsgabe, kritische Urteilskraft und Flexibilität in den Formen der Wiedergabe des "Erlebten", wenn sie einen Dialog mit dem Publikum anstreben und eröffnen möchten.

Es ist nicht mein Ziel, "mit der Zeit zu gehen" was heißt, sich Tendenzen oder Moden anzupassen, sondern die Zeit als erbarmungslosen Protagonist unseres menschlich/zeitlichen Daseins zu interpretieren. Daher z.B. die breiten weißen Streifen auf den "Brandenburger Bildern". Sie deuten an, dass das Sehbare, das Wahrgenommene, immer ein Ausschnitt ist, der Ausschnitt in diesem Fall ein Weg. Wege sind richtungsweisend, kein statischer Ort.

In unserer Jetztzeit spricht man in der Physik viel von Raumzeit als Konstante alles Messbaren (laut den Spielregeln der Quantentheorie) und Erfahrbaren über den Kosmos, unsere erweiterte Welt. Ich möchte diesen Hybrid in die Gedankenwelt verlegen, in die Erinnerung, auch die der Geschichte, und jenen Teil des Bewusstseins, der nicht unmittelbar zugänglich ist mit Logik oder erworbenem Wissen. Ich denke an Imagination und Intuition. In diesem Zusammenhang entstehen Projekte (Installationen und Szenerien) wie "CICER, Darstellung einer Landschaft", "La Torre de Babel - DerTurm von Babel" oder " Danza de Piedras ‑ Tanz der Steine" mit dem Teil "Strings und Quanten", die hier aus Platzmangel nicht zu sehen sind. Die kleinen und die gelb/blauen Bilder (auf Leinwand) sind so zu verstehen.

Was mich allerdings am meisten interessiert, sind die Menschen, Mit-menschen, als Individuum und als Gemeinschaft, ihre Eigenschaft(en) und ihr Verhalten, auch im Bezug auf ihre Umwelt, die interne und die äußere Natur. Um nicht pessimistisch zu werden bei all diesen Informationen, die man täglich aus eigener Anschauung oder aus vielen anderen Quellen erhält über die Möglichkeiten des Mensch-Seins in einer absolut konsumbezogenen Gesellschaftsordnung (Ordnung?), wende ich mich an die Leute selbst, versuche, ihre Probleme zu erkunden und sie aufzuzeigen. Dies geschieht vor allem in den Zeichnungen, Collagen oder Videoaufnahmen.

Ich lebe auf einer Insel (ziemlich klein ist sie). Der Horizont hat hier eine andere Entfernung: er scheint sehr nah zu sein, weil ihn nichts verbirgt; nur Wasser und Bewegung im Blick, aber er ist trotzdem nie erreichbar mit Schritten oder mechanischen Mitteln. Nur in Gedanken kann man sich annähern und selbst darüber hinaus gelangen, ohne zu versinken. Das ist die Anziehungskraft der Inseln und ihr Geschenk an Menschen, die das Leben mit Bewusst-Sein er-leben.

Letzte Änderung: 19.2.2005
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